Ich habe gerade mit einem spannenden neuen Themenfeld zu tun: Produktdesign für Senioren. Ich kann mich noch gut an eine Auseinandersetzung mit meiner Großtante erinnern, die sich mit 85 Jahren partout keine orthopädischen Schuhe anfertigen lassen wollte, weil „die aussehen wie Schuhe für alte, kranke Leute“.
Zeit also für ein Umdenken aus Design-Sicht, denn die Kaufkraft dieser Generation macht in vielen Produktbereichen einen signifikanten Anteil am gesamten Volumen aus. Einen ersten Einblick in das Thema und interessante Eckdaten dazu finden sich im Vortrag von Dr. Wolfgang Adlwarth: „Konsum- und Kaufverhalten der Generation Silber: Wo liegen die Potenziale?“.
Um etwas Recherche zu betreiben, war ich vorletzten Freitag auf der Rehab-Messe hier in Karlsruhe. Dort ergab sich ein spannendes Gespräch mit Günther Schunn, Produktdesigner aus Göpppingen, der sich mit der Gestaltung von Badezimmermöbeln für Senioren beschäftigt. Günther stellte auf der Messe den Prototyp eines Waschtischs und Duschstuhls für Senioren vor. Spannend aus UX-Sicht war auch der Gestaltungsprozess selbst. Günther hatte zunächst analysiert, was die Besonderheiten bei der Nutzung eines Badezimmers durch die Zielgruppe sind, z.B. an welchen Stellen Hilfe zum Abstützen oder Griffe zum Hochziehen benötigt werden:
Eingeschränkt in Bewegung und Sicht durch einen so genannten „Ergonomieanzug“ (eigentlich sollte das Ding Anti-Ergonomieanzug heißen…) ging auch Günther selbst die Stationen der Badezimmernutzung durch:
Basierend auf diesen Ergebnissen arbeitete Günther unter anderem folgende Designvarianten für den Waschtisch mit integrierten Griffen und großen Ablageflächen aus:
Im Usabilitytest mit Prototypen wurden unterschiedliche Materialeigenschaften und Konstruktionsweisen getestet:
Die Formgebung wurde anhand verschiedener Prototypen verfeinert und mit Hinblick auf die Produktionskosten optimiert:
Und so sieht das fertige Produkt aus:
Eine überaus gelungene Kombination aus Ästhetik und Funktionalität, die zeigt, dass man Produkte bauen kann, die den Anforderungen von Senioren gerecht werden aber keinesfalls so aussehen, als hätte man sie aus dem Krankenhaus ausgeliehen. Bleibt zu hoffen, dass mehr Designer diesen Trend aufgreifen.
Vielen Dank an Günther für das Bereitstellen der Bilder.
2 Antworten zu „Produktdesign für Senioren“
Meiner Meinung nach eine große Marktlücke!
Produkte, die in erster Linie funktionell sind, können durchaus auch ansprechend gestaltet sein. Ich hoffe sehr, daß noch mehr (Produkt-)designer sich dieser Aufgabe widmen werden.
Da sind Sie in einem spannenden Geschäftsfeld unterwegs. Beim Thema „Geschenke für Senioren“ muss ich immer an den Film „Gran Torino“ mit Clint Eastwood denken. Die Szene, als er von seinem Sohn ein Großtastentelefon und eine Greifhilfe zum Geburtstag geschenkt bekommt und ihn dann vor die Tür setzt… ;-)